Der Zurückgekehrte : Roman

Altmann, Peter Simon, 2012
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Medienart Buch
ISBN 978-3-902866-03-5
Verfasser Altmann, Peter Simon Wikipedia
Systematik Lit/ - Belletristik nach Autoren A-Z
Schlagworte Natur, Scheidung, Isolation, Fremdheit, Wahrnehmung, Zivilisation, Kyoto, Lit/Alt 003, Kunikida Doppo, Subjekt, Objekt, Kultur, ostasiatische
Verlag edition laurin
Ort Innsbruck
Jahr 2012
Umfang 111 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache Deutsch
Verfasserangabe Peter Simon Altmann
Annotation Quelle: Literatur und Kritik;
Autor: Andrea Edl;
Epische Suche im Zwischenraum
Ein Roman und Erzählungen von Peter Simon Altmann
Im neuen Buch des gebürtigen Salzburgers Peter Simon Altmann, der Sammlung Sommerneige mit neun Erzählungen, erscheint das Leben so wie schon im vorangegangenen Roman Der Zurückgekehrte von 2012 kunstvoll entrückt. Und wieder können, wie schon in der poetischen Sequenz über die Natur von 2012, die Erzählungen als "umgekehrte Spiegelbilder" (Foucault) aufgefasst werden. War es beim Zurückgekehrten ein Übersetzer des Japanischen, der nach einem längeren Asien-Aufenthalt zurück nach Salzburg kommt, thematisiert der Autor neuerlich die Unterschiede zwischen Ost und West. Besonders beim Zurückgekehrten, der durch das Genre der chinesischen Landschaftsmalerei und deren liebevoll gestalteten Details inspiriert wurde, zeigt sich, wie sehr Altmanns Sinnesart von asiatischer Kultur/Imagination durchdrungen ist. So thematisierte er auch den allgemeinen Zustand der gegenwärtigen Gesellschaft, die an der "Eilkrankheit", dem "Veloziferischen" (nach Goethe, der "Velocitas" - Geschwindigkeit, Eile - mit "Luzifer" zusammenzog), kranke.
Altmanns Erzählband reicht von dichten Erzählungen der literarischen Suche, dem Krimi "Schlaflos", direkt aus dem Leben gegriffenen (Liebes-)Geschichten bis hin zum modernen Märchen "Der Fischer und der Tod". Besonders in diesem mystischen Märchen drückt der Autor die ewige Sehnsucht nach Überschreitung von Grenzen und Erlösung aus. Mit der verführerischen Nixe geht er dem Thema von unzähligen Mythen und der Weltliteratur wie Undine von Ingeborg Bachmann nach. Das liebreizende Mädchen mit Fischschwanz, der ihre Zugehörigkeit jenseits aller Geschlechtlichkeit anzeigt, verlockt aus Angst und Verzweiflung: Der Fischer solle sie doch aus dem dumpfen Gefühl, nie ganz Frau zu sein, erretten und führt ihn so in den Abgrund. Hier ist sie selbst auch Dulderin, da sie ihrer "Anderswelt" nicht entfliehen kann. Ihr bleibt das Glück im Menschenreich verwehrt. Zu wahrer Liebe ist sie unfähig, die Öffnung und wahre Verbundenheit mit seinem Gegenüber voraussetzt. Doch räumt Altmann mit dem Wasserfrauenmythos auf: seine Nixe entsteigt ihrem eigenen Mythos, indem sie aktiv ihr Schicksal in die Hand nimmt, ihre scheinbare Hilflosigkeit überwindet und die "Mahrtenehe" bzw. althergebrachte Geschlechteridentitäten und das Geschlechterverhältnis ad absurdum führt.
Die für den Autor charakteristische Diktion ist ungekünstelt, gerade. Seine Texte sind aufrüttelnd und doch still. Sie tragen zu einem erhöhten Bewusstsein bei, indem er skurrile Erfahrungen und episodenhafte Erlebnisse literarisch verarbeitet. Er lädt ein, sich mit ihm ins weite Land des Innen und Außen aufzumachen.
Wie ein roter Faden zieht sich die Sinnfrage durch Altmanns Werke. Er hinterfragt, was der Mensch primär auf geistig-seelischer Ebene zu umfassender Lebensbejahung braucht. Der Literat geht auf die Reise nach dem Eingebettet-Sein der eigenen Seele in das große Ganze der Welt.
In flüchtigen Momenten erfährt manch ein Protagonist durch intensive Naturbetrachtung echte Verbundenheit. Beim Zurückgekehrten wird sich der Bindungsunfähige der fehlenden Übereinstimmung zwischen Innen und Außen bewusst. Er versucht, seiner inneren Unruhe bei ausgedehnten Spaziergängen durch Salzburg zu entkommen. Altmanns Held leidet an derselben Problematik wie jener aus Hofmannstals Die Briefe des Zurückgekehrten. Es geht darum, "den Sprung ins Nichts zu wagen, um im Sein zu landen" (Heidegger). Der haltlose Egozentriker wagt diesen Sprung nie gänzlich. Nur das Verharren im Augenblick echten Gewahrseins in der Natur bescheren ihm kurze Momente des Aufleuchtens seines wahren Selbst, der vollkommenen Verschmelzung seines Ichs mit dem Objekt seiner Beobachtung. Die Natur als Schlüssel zu innerer Einkehr spielt eine zentrale Rolle: "Worauf richte ich eigentlich meine Aufmerksamkeit, wenn ich die Natur betrachte? - Letztendlich suche ich in der Landschaft doch nur mich selbst".
Altmanns Stoff bewegt, weil etwas im Leser nach Resonanz sucht, das Emerson ausdrückt: "Jeder Geist baut sich selbst ein Haus und jenseits dieses Hauses eine Welt und jenseits dieser Welt einen Himmel." In verschiedenen Texten spricht der spirituell Aufgeschlossene auf die mystische Ebene des menschlichen Daseins an. Seine Figuren sind so gut wie immer entwurzelt, zerrissen, ruhelos. Sie suchen einen Ausweg aus ihrem selbst entworfenen "Raum einer alternativen Ordnung", eines Zwischenraums, in dem ihnen die Identifikation mit dem Außen scheinbar verloren ging. Altmann verweist immer wieder auf eine durch die fernöstliche Kunst und Kultur verkörperte Wahlmöglichkeit zum in der westlichen Welt vorherrschenden Dilemma der Subjekt/Objekt-Spaltung.
Hinter seinen oft nur allzu menschlich anmutenden Szenarios einer umtriebigen Schriftstellerseele und ausgedehnten Grübeleien verbirgt sich Altmanns profunde Kenntnis west­licher Literatur/Philosophie und fernöstlicher Sprache/Denkens. "Heidegger sagt Die Sprache ist das Haus des Seins, demnach wohnt der Europäer sicherlich in einem ganz anderen Haus als der ostasiatische Mensch. Der Zusammenprall der zwei Sprachen, der fremden und der eigenen, beim Übersetzen verwirrt mich oft." (2012)
Altmanns Figuren sinnen über subjektive Eindrücke und objektive Fakten nach. Sein Brief "An Sylvia" etwa dreht sich um in verschiedenen Ehen Gebundene, wobei sich der Erzähler über eine im realen Leben schier ­unmögliche Verbindung Gedanken macht. In "Der letzte Sommer" nimmt der Protagonist den Sommer durch die führenden Sinne wahr:
"Das erste Mal hatte Paul in diesem Jahr vor drei Jahren den Sommer bereits Anfang Juni gerochen, als er an einem Nachmittag mit dem Rad die Donau entlang Richtung Klosterneuburg gefahren war. Damals hatte es kein dazu passendes Bild gegeben, außer dass es ein angenehm warmer Tag gewesen war, sich die Sonne auf der Wasseroberfläche des Flusses gespiegelt hatte. Damals war es wirklich nur ein Geruch gewesen, von dem er nicht wusste, woher er kam.
Dieses Mal, an jenem fünften August, als er den Sommer zum zweiten Mal roch, hätte er auch nicht sagen können, warum es nach Sommer roch. Doch dieses Mal verband sich der Geruch unlöslich mit K., wie sie bei der Station neben ihrem Reisekoffer stand, so, wie er sie zum ersten Mal sah."
Altmanns Figuren stehen oft zwischen den Kulturen, sind voll wütender Ohnmacht über ihren eigenen Geisteszustand und jenem der postmodernen Welt. Zum Hauptproblem der westlichen bzw. fernöstlichen Kultur meint der Grenzgänger: "Meine größte Sorge haben schon Heidegger und Günther Anders formuliert.
Die Technisierung der Welt und der zwischenmenschlichen Beziehungen macht mir am meisten zu schaffen.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Wenn man sich zu heftig zwischen den Sprachen bewegt, kann es durchaus geschehen, dass man letztlich selbst durch alle Bedeutungen rutscht.
Peter Simon Altmann lässt einen Ich-Erzähler zwischen den Kulturen Japans und Koreas und dem Dauerregen in Salzburg auftreten. Der Zurückgekehrte ist Übersetzer aus dem Japanischen, sein Lieblingsschriftsteller ist der Naturalist Kunikida Doppo (1871-1908), der gerüchtehalber die japanische Sprache erweitert hat, um russische Dichter wie Turgenjew ins Japanische zu übersetzen.
Der Übersetzer beißt sich an diesem Seelen-Naturalisten die Zähne aus, weil dieser einen seltenen Zusammenhang zwischen Innen und Außen beschreibt, vor allem diese Verlorenheit in den Koordinaten der Wahrnehmung macht dem Erzähler zu schaffen. Von sei 1043 ner japanischen Frau hat er sich getrennt, sein Kind besucht er nur noch fallweise, seine aktuelle Freundin ist aus Korea, studiert aber in Japan, er selbst ist nach Salzburg zurückgekehrt und verliert sich im Regen.
Als er mit seiner Freundin in Japan skypet, vergeht er geradezu vor Sehnsucht, als die Freundin dann in Salzburg ist, sperrt sich in ihm alles gegen die Nähe des Zusammenlebens, als die Freundin wieder fort ist, zerfließt der Erzähler in chinesischen Tuschzeichnungen und im Salzburger Regen.
"Warum gebe ich mich nicht zufrieden, jetzt, da ich wieder mit Hilfe der chinesischen Tuschmalerei Innen und Außen als Einheit erlebe?" (105)
Während der Übersetzungsarbeit versucht der Erzähler alle möglichen Begriffe probehalber in andere Sprachen zu übersetzen, um sie dingfest zu machen. Ihm wird auch klar, dass die Probleme des Übersetzens seine eigenen geworden sind. Unter zig Möglichkeiten ist es schier unmöglich, die richtige Fassung zu finden. Auch die eigenen Tage in Salzburg bieten dutzende Erlebnismöglichkeiten an, aber es fällt schwer, die Tage richtig zu gestalten. Dabei sind naturgemäß die Formulierungen Kunikida Doppos recht ernüchternd. "Auch wenn der letzte Mensch von dieser Erde verschwindet, wird nicht ein Blatt darum erzittern." (107)
So ist es kein Wunder, dass herbstliche Melancholie allmählich einsetzt. Die Nächte werden jeden Tag um drei Minuten länger, heißt so eine Schreckensnachricht. Und der Held fasst die Lebensstimmung zusammen: "Das Vergehen des Sommers stimmt mich heuer trauriger als sonst." (90)
Der Zurückgekehrte ist auf den ersten Blick ein schwermütig poetischer Herbst-Roman, der das Kürzer-Werden der Tage mit fernöstlichen Fügungen über das Wesen der Natur zum Klingen bringt. Auf einer Meta-Ebene wird natürlich das Problem des richtigen Übersetzens zur Sprache gebracht. Und ganz tief im Untergrund des Textes geht es darum, wie man ein Leben aushalten kann, wenn es einem immer wieder wegflutscht. - Ein sensibler Roman, klar und reduziert, wie wir uns gemeinhin die japanische Kultur vorstellen.
Helmuth Schönauer

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