Der Lärm der Zeit

Barnes, Julian, 2017
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Exemplare gesamt 1
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Medienart Buch
ISBN 978-3-462-04888-9
Verfasser Barnes, Julian Wikipedia
Beteiligte Personen Krueger, Gertraude [Übers.] Wikipedia
Systematik Lit/ - Belletristik nach Autoren A-Z
Schlagworte Sowjetunion, Künstler, Stalin, 1879 - 1953, Künstlerroman, Lit/BarJ 001, Repression
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Ort Köln
Jahr 2017
Umfang 244 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache Deutsch
Verfasserangabe Julian Barnes. Gertraude Krueger
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Maria Schmuckermair;
Schostakowitsch im Würgegriff der Stalin-Diktatur. (DR)
Der weltberühmte russische Komponist Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) wird von der Musikwissenschaft bis zum heutigen Tag kontrovers beurteilt. Nicht wegen der unbestritten künstlerischen Leistung des ehemaligen Wunderkindes (bereits seine 1. Symphonie wurde international gefeiert), sondern wegen seines ambivalenten Verhaltens während der Stalindiktatur und auch später noch in der "Tauwetterzeit" unter Chruschtschow. Vorwiegend basierend auf Elizabeth Wilsons Biografie "Shostakovich: A Life Remembered" entwickelt der feinfühlige britische Essayist und Romancier Julian Barnes das Charakterbild des innerlich zerrissenen genialen Künstlers und das Sittenbild einer Zeit, in der die Menschen durch Drohungen, Einschüchterungen und notfalls skrupellosen Terror drangsaliert und sich selbst vollkommen entfremdet wurden. "Kunst ist das Flüstern der Geschichte, das durch den Lärm der Zeit zu hören ist." (S. 125) Schostakowitsch aber schafft es nicht, sich mit der "Geheimsprache Musik" gegen den politischen Druck zu verwahren.
Als Stalin persönlich 1936 die Oper "Lady Macbeth von Mzensk" besucht und findet, das sei "Chaos statt Musik", werden alle Opern und Ballette von Schostakowitsch abgesetzt. Der Komponist rechnet wochenlang mit seiner Verhaftung. Als er später wieder akzeptiert und gefeiert wird, verhält er sich willfährig. Er liest als Kongressteilnehmer in New York eine vorgefertigte Rede als seine eigene vor, in der er sein Idol Strawinsky einen Vaterlandsverräter und dessen Werk bedeutungslos und inhaltsleer nennt. Er fühlt sich wie ein Feigling. Die Hoffnung, dass eine wissende Öffentlichkeit ihm den Verrat (auch an Solschenizyn und Sacharow) nachsieht, erfüllt sich nicht.
Wie kann man wahrhaftig leben, wenn es in Zeiten des Terrors tödlich ist, die Wahrheit zu sagen? Julian Barnes gelingt es höchst differenziert, die menschliche Tragödie des großen Künstlers nachvollziehbar zu machen. Nicht nur für historisch Interessierte und Musikliebhaber eine eminente Bereicherung!

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Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp);
Autor: Markus Fritz;
Der Komponist Schostakowitsch wartet jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung, dass er vom Geheimdienst abgeholt wird. Er möchte seiner Familie den Anblick der Verhaftung ersparen. Während er wartet, hat er viel Zeit nachzudenken. Der Leser kann nun seine Gedanken verfolgen. Seine Oper "Lady Macbeth von Mzensk" ist von Stalin verteufelt worden. Er hat während der Aufführung das Opernhaus verlassen. Dann erscheint auch noch ein vernichtender Artikel in der Prawda: seine Musik ist Chaos. Er wird zum Volksfeind. Warum, so fragt er sich, hat die Sowjetmacht jetzt die Musik ins Visier genommen? Das Interesse der Macht hatte bisher eher den Schriftstellern gegolten. Dann wird er vom Geheimdienst vorgeladen, er soll gegen den Marschall, seinen Gönner, aussagen. Dieser wird beschuldigt, ein Mordkomplott gegen Stalin zu schmieden. Er verliert also seinen Beschützer. Doch es wendet sich zum Guten: "Zwischen Samstag und Montag war Sakrewski selbst in Verdacht geraten. Der ihn vernehmen sollte, wurde vernommen. Der ihn festnehmen sollte, war festgenommen." Drei Wochen später wird der Marschall und mit ihm die gesamte Sowjetspitze erschossen. In Rückblenden erfahren wir von der Jugend des Komponisten, der immer sehr kränklich war und sich schwer getan hat, bis ihn der Marschall unter seine Fittiche genommen hat. Er erzählt von der Hochzeit mit der selbstbewussten Physikerin Nina, vom Krieg, den die Familie auf dem Land überlebt. 1949 muss er öffentlich Selbstkritik üben, seine Musik sei zu individualistisch. Außerdem sei seine Musik zu wenig eingängig und eher ein "formalistisches Gequake und Gegrunze".
Es geht in diesem Roman um das Verhältnis zwischen Kunst und Staatsmacht und was es bedeutet, in einem totalitären Regime ein freier Künstler zu sein. In beeindruckender Knappheit zeichnet Barnes das Bild eines gespaltenen Künstlers, der hin- und hergerissen wird zwischen Anpassung und Auflehnung und der unter ständiger Angst leben muss, verhaftet zu werden und den Säuberungsaktionen Stalins zum Opfer zu fallen. Ein Buch für geübte Leser/innen.

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