Das Mädchen in Rot

Frisch, Aaron, 2013
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Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Medienart Buch
ISBN 978-3-8369-5742-7
Verfasser Frisch, Aaron Wikipedia
Beteiligte Personen Günther, Herbert [Übers.] Wikipedia
Beteiligte Personen Günther, Ulli [Übers.] Wikipedia
Beteiligte Personen Innocenti, Roberto [Ill.] Wikipedia
Systematik Comic - Comics, Graphic Novels, Mangas in versch. Sprachen
Schlagworte Mädchen, Entführung, Bilderbuch, Angst, 7/Fri 001, Comic 014
Verlag Gerstenberg
Ort Hildesheim
Jahr 2013
Umfang [15] S.
Altersbeschränkung keine
Sprache Deutsch
Verfasserangabe Aaron Frisch. Roberto Innocenti. Herbert Günther ; Ulli Günther
Illustrationsang zahlr. Ill. (farb.)
Annotation Quelle: Alliteratus (http://www.alliteratus.com/);
Autor: Bernhard Hubner;
Der erste Gedanke: Och nöh, nicht schon wieder eine Rotkäppchen-Version! Dann, beim ersten, flüchtigen Blick auf die Bilder, die Erleichterung: Nein, das ist es auch nicht, da ist nichts von Wald und Wolf und Großmutter zu sehen. Aber schon lustig, dass da wohl auch ein Mädchen zum roten Mäntelchen eine rote Mütze trägt, kein Wunder, wenn man da falsch denkt. Und dann beginnt man zu lesen, die Geschichte, die in kleinen Portionen in kleinen grauen Kästen jeweils unten auf der Seite abgedruckt ist, in der Breite identisch mit dem darüber stehenden Bild. Und man ist erneut verunsichert und fragt sich, was man denn nun glauben soll? Es ist die Geschichte von Rotkäppchen, ganz unzweifelhaft. Sie mag in Winzigkeiten differieren, aber es geht um das Mädchen, seine Großmutter, die mit einem Korb Lebensmittel besucht werden soll, die Schwierigkeiten und Tücken des Weges durch einen Wald, vor denen die Mutter das Mädchen warnt. Dann plötzlich, mitten in der Wildnis, tauchen Schakale auf, die das Mädchen bedrohen, bis ein Jäger sie vertreibt und dem Mädchen hilft. Sie vertraut ihm, erzählt ihm von der Großmutter und wird sogar ein Stück von ihm begleitet, bis er sie dann doch alleine lässt und "etwas erledigen" muss. Und wir fürchten das Schlimmste...
Dieser Text ist also schon gut für einige Irritation, er bestätigt Ahnungen und widerlegt sie gleichzeitig, er ist vertraut und fremd in einem. Dazu ist die Geschichte eingebettet in ein ganz kleine Rahmenerzählung, in der eine märchenerzählende Figur einer Gruppe Kindern eine "gute Geschichte" verspricht, noch dazu eine, die sich verändern kann. Und dann der entscheidende Satz: "Wie sehr ihr auch Ausschau haltet, ihr könnt nie wirklich wissen, was kommen wird."
Was kommt, ist zunächst eine verblüffende Illustration der eigentlich bekannten Geschichte, aus der Idee und der Feder des weltbekannten Künstlers Innocenti. Er verlegt die Geschichte in die Untiefen einer modernen Stadt, dorthin, wo sie sich am grauesten, am unfreundlichsten und am hässlichsten zeigt. Es ist eine Art Ghetto, verwahrlost, schmutzig und angefüllt mit den merkwürdigsten Typen, von denen man vielen nicht gern im Dunkeln begegnen möchte. Und solche Bezirke, seien wir ehrlich, gibt es in jeder Stadt, auch wenn man sie gerne weiträumig umfährt, schon gar nicht dort zuhause sein möchte.
Innocentis Technik baut auf eine gleichzeitig realistische, aber zugleich überhöhte Darstellung. Er trägt auf wenigen Quadratzentimetern zusammen, was in Wirklichkeit verstreuter und weniger massiert zu sehen ist. Die Wirkung ist eindrucksvoll, ohne konkreten Anlass steigert sich der Betrachter in eine Stimmung der Bedrohung, der Unterlegenheit und der Verlorenheit selbst mitten in der Menschenmenge. Zwar gibt es immer wieder kleine "Aufheller", doch selbst die offiziell prächtigen Bereiche dieses Stadtmolochs beängstigen und erinnern eher an ein Labyrinth als an teure Konsumtempel. Und es fällt auf: Immer wieder sind da Hunde, die die Zähne fletschen, fast hörbar knurren und damit an den Märchen-Wolf gemahnen.
Gänzlich furchterregend wird es dann, wenn die "Schakale", motorisierte Jugendbanden auftauchen - und natürlich der "Jäger", eine schwarze Leder-Rocker-Gestalt. Wie sich die Dinge zeigen, kann das Ganze auch kein gutes Ende nehmen, dagegen war das Originalmärchen fast noch weichgespült. Doch erinnern wir uns an den wichtigen Satz in der Einleitung, nichts ist so, wie man es erwartet.
Starker Tobak also, dieses Mädchen in Rot, nichts für ganz Kleine und nichts für vor dem Schlafengehen. Aber, noch einmal realistisch gedacht: Die geschilderten Gefahren gibt es, für manche selten, für andere täglich, und eine Umgebung wie in diesen Bildern fördert das noch. Es ist also in erster Linie nicht, wie im Märchen, vor allem Warnung vor Gefahren und Drohung, sich elterlichen Anordnungen nicht zu widersetzen. Es ist harte, aber gerechtfertigte Kritik an den Schwachstellen unserer Gesellschaft, an slumähnlichen Lebensverhältnissen, an rücksichtsloser Ausbeutung, an der gewollten Unübersichtlichkeit des Lebens, wie es die glitzernde Geschäftswelt zur Verlockung nutzt. Und es ist Kritik an einer Welt, die eigentlich keinen Platz für Kinder hat, zumindest keinen ge- und beschützten. Und dass es hier - mit einigem Hinbiegen - halbwegs gut ausgeht, ist mehr literarische Erfindung als die vorherigen Fährnisse.
Märchen waren immer schon brutal und bedrohlich, das ist diesem Genre zueigen. Für manche Kinder mag der Schauder hier aber etwas zu eindringlich sein, das sollten Eltern vorher kritisch abwägen. Dennoch ist dies ein ungemein wichtiges und zielgenaues Buch, das gerade auch erwachsene Leser an ihre vernachlässigten Pflichten erinnert, denn wer sollte diese Welt verbessern, wenn nicht die "Großen"? Nichts zum Genießen also, aber ganz viel zum Hellhörigwerden. Großartig!

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Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Bettina Huber;
Zeitgenössische Interpretation von "Rotkäppchen". (ab 8) (JD)
Im 21. Jahrhundert lebt Rotkäppchen in einem heruntergekommenen Plattenbau. Der Wald ist eine hässliche Großstadt, ein Moloch aus Beton und Reklametafeln. Laut. Schmutzig. Und alles dreht sich um Sex und Gewalt. Der Wolf ist ein blonder Schönling im sexy Lederoutfit und fährt ein schnelles Motorrad - wenig verwunderlich, dass das vaterlose Mädchen seiner fremden, jedoch faszinierenden Männlichkeit erliegt. Es folgt das Gewaltverbrechen an Großmutter und Kind, dessen schaurige Details Autor und Illustrator aber der Phantasie der Lesenden überlassen. Ein Happy End gibt es trotzdem - in Form eines alternativen Endes der Geschichte.
Die emotionale Wucht der Bilder lässt einen das Lesen fast vergessen. Die Bilder sind schrill, trostlos und die Fülle der Details lassen das Auge verirren. Der Künstler zeichnet eine Welt, in der der Konsum das einzig Heilige zu sein scheint. Entsprechend stehen Micky Maus und Lara Croft an Stelle von Heiligenfiguren in den Fenstern einer kathedralenartigen Shopping Mall. Den Kontrast bilden - in den verschiedenen Altersstufen ihrer Weiblichkeit - Mutter, Rotkäppchen, dessen kleine Schwester und die Großmutter. Sie sind die einzigen aufrichtigen und lebendigen Figuren, gleichzeitig ist man betroffen von ihrer Verletzlichkeit.
Das Buch ist nicht nur eine geniale Adaption des Rotkäppchenstoffes, sondern verdeutlicht auch Erwachsenen, wie unsere Welt auf Kinder wirken muss.

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Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp);
Autor: Brigitte Kustatscher;
"Eine gute Geschichte aber ist magisch. Und die beste Zeit für Geschichten ist, wenn von draußen der Regen gegen das Fenster prasselt." Es überrascht also nicht, dass die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur die moderne Rotkäppchen-Variante zum Buch des Monats Oktober gewählt hat. Sophia lebt mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in der Großstadt und will ihre kranke Großmutter besuchen. Dafür muss sie, wie in der Märchenvorlage, durch einen Wald voller Gefahren und Verlockungen: ein moderner Großstadtdschungel, belebte Straßen, verführerische Einkaufszentren, aufregende Vergnügungsviertel, doch auch abgeschiedene Seitengassen, in denen Kriminalität regiert und Verbrecherbanden wie Schakale in der Dunkelheit lauern...
Innocentis Rotkäppchen-Adaption zieht den Leser mit dem teils düsteren Arrangement seiner unheimlichen, aufregenden und detailreichen Illustratione 9a0 n in seinen Bann. Dementsprechend fesselnd ist der Text von Aaron Frisch, welcher der bedrohlichen Grundstimmung voller düsterer Vorahnungen am Ende doch noch eine tröstliche, beruhigende Note gibt. Ideale Lektüre für regnerische Herbsttage!
Ab 5 Jahren.

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